Kurze Verfahrenslaufzeiten - massiver Anstieg der Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten – zunehmend aufwändige Großverfahren beim Oberverwaltungsgericht

487 Richterinnen und Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen haben im Jahr 2014 mehr als 53.500 Verfahren erledigt. Dabei dauerten Hauptsacheverfahren durchschnittlich nur etwa neun Monate, im vorläufigen Rechtsschutz entschieden die Verwaltungsgerichte in sechs Wochen und das Oberverwaltungsgericht in rund zwei Monaten. Die größte Herausforderung für die sieben Verwaltungsgerichte ist die erhebliche Zunahme der Asylverfahren um 53 % gegenüber dem Vorjahr. Beim Oberverwaltungsgericht wird Arbeitskraft zunehmend durch infrastrukturbedeutsame Großverfahren (z.B. Flughäfen, Straßen, Kraftwerke) gebunden. Diese Zahlen und Entwicklungen präsentierte die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts, Dr. Ricarda Brandts, bei dem diesjährigen Jahrespressegespräch und erklärte: „Die nordrhein-westfälische Verwaltungsgerichtsbarkeit hat auch 2014 qualitativ hochwertigen und zeitnahen Rechtsschutz gewährt.“ In Nordrhein-Westfalen arbeitet etwa ein Viertel der Verwaltungsrichterinnen und -richter Deutschlands, sie bearbeiten auch ca. ein Viertel des bundesweiten verwaltungsgerichtlichen Geschäftsanfalls. „Das bedeutet, dass wir oftmals repräsentative Trends in der Geschäftsentwicklung aufzeigen können“, erläuterte Dr. Brandts.

Bei den Verwaltungsgerichten sind im Jahr 2014 48.359 Verfahren eingegangen. Die Zahl bewegt sich im Fünfjahresvergleich bei normalen Schwankungen auf einem relativ stabilen Niveau. Die Verteilung der Streitigkeiten auf die einzelnen Sachgebiete hat sich aber erheblich verändert. Den größten Anteil von etwa einem Drittel (32 %) machte im Jahr 2014 das Asylrecht aus. In absoluten Zahlen haben sich die asylrechtlichen Streitfälle von 5.811 im Jahr 2011 über 10.144 im Jahr 2013 auf 15.535 im Jahr 2014 fast verdreifacht. Die meisten Antragsteller kamen aus Serbien, danach folgten Mazedonien und Albanien.

„Der Anstieg der Asylverfahren wird sich fortsetzen“, prognostizierte Präsidentin Dr. Brandts. „Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat sich aufgrund eines massiven Anstiegs der Antragszahlen zudem ein erheblicher Rückstau gebildet, der nach der dortigen personellen Aufstockung um mehrere hundert Stellen die Verwaltungsgerichte erst noch erreichen wird. Wir sind dieser Herausforderung derzeit (noch) gewachsen. Dank der engagierten Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den Verwaltungsgerichten und wegen des Rückgangs der Zahlen in anderen Bereichen können wir auch im Asylrecht schnellen und effektiven Rechtschutz gewähren.“

Beim Oberverwaltungsgericht stellt sich die Situation etwas anders dar. Die Verfahrenseingänge sind seit Jahren leicht rückläufig, im Vorjahresvergleich sind sie um knapp 4 % (2014: 6.157, 2013: 6.405), im Fünfjahresvergleich um etwa 14 % (2010: 7.176) zurückgegangen. Die „Asylwelle“ ist hier bisher nicht angekommen. Der Anstieg bei den Verwaltungsgerichten betrifft vor allem die asylrechtlichen Eilverfahren, in denen es kein Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht gibt. Dr. Brandts warnte allerdings vor allzu großer Zahlengläubigkeit: „Unsere Eingangszahlen gehen zwar zurück, die Zahl aufwändiger Verfahren steigt aber. Hinzu kommt: Die zahlenmäßig nicht so sehr ins Gewicht fallenden infrastrukturbedeutsamen Großverfahren – Planfeststellungen, immissionsschutzrechtliche Genehmigungen oder Baugenehmigungen für größere Investitionsvorhaben – erfordern in der Bearbeitung viel Zeit. Diese Prozesse zeichnen sich sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht durch hohe Komplexität aus, die zukünftig eher weiter zunehmen wird.“ Da die Genehmigungs- oder Planverfahren über viele Jahre liefen, seien die Akten schon äußerst umfangreich, ehe sie das Gericht – das Oberverwaltungsgericht ist für diese Großverfahren vielfach in erster Instanz zuständig – erreichten. Hinzu kämen zahlreiche lange Schriftsätze spezialisierter Rechtsanwälte und häufig eine Vielzahl behördlicher Stellungnahmen und Sachverständigengutachten, etwa zu Lärmbelastungen, Immissionswerten und artenschutzfachlichen Fragen. Schließlich seien die Anforderungen bei der Rechtsanwendung durch ein komplexeres Regelsystem gestiegen, zu dem in zunehmendem Maße unionsrechtliche Vorgaben gehörten.

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